Publishing Geschäftsmodelle und Kuratierung
September 2015
Auch dieses Mal war der Digital-Shift bei Hinderling Volkhart komplett ausgebucht. Wir diskutierten zum Stand von neuen Publishing Geschäftsmodellen wie Kuratierung in digitalen Medien.
Rainer Stadler schreibt seit 26 Jahren in der NZZ über Medien und ist Mitglied im Stiftungsrat des Schweizer Presserats. Rainer sprach über den Wert von Abomodellen. Peter Hogenkamp, Gründer u.a. von Zeix und Blogwerk, war bis Ende 2013 Leiter Digitale Medien bei der NZZ, sprach über Kuratierung als Konzept sowie als Geschäftsmodell und stellte sein neues Produkt Niuws vor. Die Moderation übernahm Harald Taglinger.
Digitale Informationen lassen sich verlustfrei kopieren und sind überall mit geringen Grenzkosten verfügbar. Dies führt zu einer schleichenden Entwertung. Diese Entwertungsspirale setzt verschiedene Branchen, darunter auch die Zeitungsverlage, sehr unter Druck, und droht, die bestehenden Geschäftsmodelle zu zerstören. Noch machen die meisten Zeitungen solide Gewinne, aber das kann für die Zukunft nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Die Verkaufszahlen von Zeitungen sind schon seit langem rückläufig. Wenn man dem aktuellen Trend glaubt, dann tendieren die Auflagen 2030 gegen Null. Auch in der Schweiz.
Für Rainer Stadler sind Abomodelle zur Zeit der einzige Weg, um eine nachhaltige Struktur für Journalismus zu finanzieren. Der Verkauf von E-Papers steige langsam an und werde hoffentlich zu einer Stabilisierung der Einnahmen führen. In den letzten Jahre wurden die Abo-Preise für Papier und digitale Ausgaben konstant angehoben, um die rückläufigen Werbeeinnahmen zu kompensieren.
Da die Schweiz ein kleiner Markt ist, sehe sich die NZZ gezwungen, ihr Angebot breit zu halten, um möglichst viele Leser anzusprechen. Die NZZ soll wie ein Müsli am morgen konsumiert werden, denn „darin ist alles, was man braucht“. Wenn ein Leser sich allerdings einen “Medien-Brunch” mit mehreren Tageszeitungen leisten wolle, so Harald Taglinger, wachsen die jährlichen Abogebühren schnell in den vierstelligen Bereich. Rainer erachtet es als ein stressiges Modell, wenn die Leser nur das aussuchten und bezahlten, was sie interessiere. Er glaubt nicht, dass die Modellen ‘pay per read’ wie Blendle oder ‘flat fee’ ähnlich zu Netflix für TV Inhalte in der Schweiz gute journalistische Plattformen finanzieren könnten. Es ist möglich, dass die NZZ ihr Angebot in Zukunft noch mehr ausweitet, um unterschiedliche Bereiche zu bedienen. Grundsätzlich will die NZZ als glaubwürdige Marke auftreten auf welchen Kanälen auch immer.
Widerspruch aus dem Publikum: Andreas von Gunten (Buch und Netz) liest die NZZ, erhalte aber seine Informationen vor allem übers Internet. Andreas sieht hingegen, es sei lange nicht mehr so, dass guter Journalismus nur innerhalb von Zeitungen existieren könne. Historisch war es nötig, dass es für die effiziente Produktion und Vertrieb von Information eine Zeitung brauchte. Diese teure Infrastruktur werde aber in Zeiten des Internets schlicht nicht mehr benötigt. Jeder könne Content produzieren und verbreiten (siehe sinkende Hürden). Firmen und Interessengemeinschaften produzierten mittlerweile interessanten und qualitativ hochstehenden Journalismus. Hier sei wahrscheinlich die Krux des wandelnden Businessmodell Zeitung. Man habe das Monopol auf Journalismus verloren.
Bekannte YouTuber haben Fans im Millionenbereich. Durch die Inhaltsproduktion und Kuratierung rücken Persönlichkeiten, die man vertraut, in den Vordergrund. Peter Hogenkamp will sich mit Niuws diesen Fakt zunutze machen und bietet bekannten Persönlichkeiten/Kuratoren eine Plattform, die für ihre Leser die Rosinen aus einem grossen Medienangebot picken.
Es sei ein „Medien Longtail“ entstanden. Viel genutzt werden Facebook und Twitter. Facebook ist bestrebt, eine Newsplattform zu werden. Aber durch die algorithmische Aufbereitung versetze Facebook den Leser schnell in einem Filterbubble. In Twitter können Leser mit Hilfe des Follow Mechanismus ihre News schnell personalisieren. Schwieriger sei es dann aber die teils kryptischen Tweets zu verstehen und in seinem Newsfeed wichtigen Nachrichten zu erfassen.
Newsaggregatoren wie Flipboard, News360 und andere wurden als die Lösung angepriesen. Zwischenzeitlich existieren einige nicht mehr. Diese Art Service hat sich also nicht als attraktiv, sticky erwiesen. Von allen scheint Snappchat am besten zu funktionieren. Auch wenn unklar sei, warum
Der Newsletter erlebt seinen Revival. Laut einer Studie von Quartz (selbst ein Newsletter Anbieter) nennen 63% der befragten Manager die eigene Inbox als ihre bevorzugte News-Quelle. Allerdings mutet es seltsam an, dass eine so alte und auch etwas unhandliche Technologie, die richtige Lösung sein soll.
Mit Niuws bietet Peter Hogenkamp einen News Agregator, der im letzten Schritt von Menschen, die der Leser vertraut, kuratiert wird. Vollautomatische Aggregatoren lieferten weiterhin noch nicht wirklich befriedigende Resultate. Man sei aus Überzeugung und fürs Renommé Kurator bei Niuws. Ein Kurator wählt täglich 3-7 Stories aus von Niuws angebotenen 100 Artikeln, die aus 100.000 geladenen Artikeln immer noch per Algorithmus vorsortiert werden. Das Businessmodell von Niuws besteht aus Werbeeinnahmen und ein zusätzlicher Revenue Stream, dem “Curation as a Service”. Hierfür kuratiert Niuws für Firmen wie zum Beispiel der AXA, so dass diese die passenden Stories für ihre interne Kommunikation oder Social Media Kanäle haben.
Obwohl so viel experimentiert werde, so das Resümee von Harald Taglinger, hat sich bisher noch kein Businessmodell herauskristallisiert, das die Struktur-Probleme im Publishing lösen kann. Zeitungen verlieren zunehmend ihren Platz als Information Gatekeeper an andere (Facebook, LinkedIn, Google…). Vielleicht bleibt in Zukunft die hyperlocale Nische. Peter Hogenkamp schätzt, dass es eine hohe User-Zahl und Mittel bedarf, um den entstehenden Traffic zu lenken. So entstehen dann auch die Möglichkeiten zur Monetarisierung.
Raphael Saunier schloss die Diskussion ab mit einer Demo von FrontKit, das ein spannendes Plugin ist, um Content zu editieren.
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